Fokus Bürgerbefragung – Ein Interview mit der Projektleitung

Wie zufrieden sind die Menschen mit ihrer Stadt? Was läuft gut, und wo gibt es Verbesserungsbedarf? Um das herauszufinden, setzen viele Städte auf repräsentative Bürgerbefragungen. Sie liefern wertvolle Einblicke und helfen dabei, Entscheidungen auf eine fundierte Basis zu stellen. Doch was macht eine gute Bürgerbefragung aus? Welche Themen beschäftigen die Befragten der teilnehmenden Städte aktuell? Und wie hat sich die Methodik über die Jahre verändert?
Im Interview gibt unsere Kollegin Beate Herdt-Born, Senior Consultant bei IFAK, spannende Einblicke in die Koordinierte Umfrage zur Lebensqualität, an der sich 16 deutsche Städte beteiligt haben. Beate, schön dass Du heute Zeit gefunden hast.

 

Beate, warum sind Bürgerbefragungen für Städte so essenziell?
Bürgerbefragungen - zum Beispiel in Form von hoch effizienten Koordinierten Umfragen, bei denen sich mehrere Städte zusammenschließen - sind für die Kommunen sehr wichtig, weil sie einen direkten Draht zu den Menschen schaffen. Sie helfen den Städten, näher an den Bürgerinnen und Bürgern zu sein und zeigen: „Hey, wir hören euch zu und nehmen eure Anliegen ernst!“ Das sorgt nicht nur für mehr Akzeptanz bei neuen Maßnahmen, sondern stärkt auch das Vertrauen in die Stadtverwaltung. Außerdem können Städte so gezielter planen und genau da ansetzen, wo es wirklich gebraucht wird – anstatt Ressourcen, salopp gesagt, ins Blaue hinein oder nach Bauchgefühl zu investieren. Konkret ausgedrückt: Bürgerbefragungen machen Städte bürgernäher, effizienter und zukunftsorientierter!

 

Gibt es Aspekte, die Städte ohne dieses direkte Feedback der Bürger übersehen würden?
Ohne das direkte Feedback der Bürgerinnen und Bürger würden Städte vieles übersehen. Klar, es gibt immer mal einzelne Beschwerden oder Meinungen, die laut werden und die Stadtverwaltungen erreichen – aber spiegeln die wirklich die Meinung der gesamten Stadt wider? Genau da helfen repräsentative Studien: Sie liefern den Kommunen ein valides Stimmungsbild der gesamten Stadtbevölkerung zu bestimmten Themen. So lässt sich herausfinden, wie viele Menschen tatsächlich unzufrieden oder vielleicht sogar sehr zufrieden sind. Außerdem erkennen Städte, ob es Unterschiede zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen gibt, zum Beispiel zwischen jüngeren und älteren Bürgerinnen und Bürgern. Ohne diese breite Perspektive fehlt einfach das Gesamtbild, und das macht es schwer, Themen richtig einzuordnen und gute Entscheidungen auf kommunaler Ebene zu treffen.

 

An der aktuellen Koordinierten Umfrage zur Lebensqualität nehmen zahlreiche Städte teil. Welche Unterschiede lassen sich in den Ergebnissen der verschiedenen Städte erkennen?
In der aktuellen Studie haben 16 ganz unterschiedliche Städte teilgenommen. Sie variieren in Größe, Lage bis hin zur Historie. Es waren Industriestädte dabei, genauso wie touristisch geprägte Städte oder auch Hochschulstandorte. Es ist also kein Wunder, dass die Ergebnisse stark voneinander abweichen. Zum Beispiel variiert die Zufriedenheitsquote von Stadt zu Stadt bei Themen wie den öffentlichen Dienstleistungen, also zum Beispiel Grünflächen oder dem Zustand von Straßen. Auch beim öffentlichen Nahverkehr gehen die Meinungen auseinander – je nachdem, wie gut das Angebot zu den Bedürfnissen der eigenen Bürgerinnen und Bürger passt. Die Studie zeigt also, dass jede Stadt ihre eigenen Herausforderungen und Stärken hat.

 

Gibt es Trends, die sich überregional abzeichnen?
Natürlich gibt es auch Gemeinsamkeiten. Eine große Herausforderung, die wirklich allen Städten unter den Nägeln brennt, ist der Wohnungsmarkt. In allen teilnehmenden Städten sind die Befragten damit eher unzufrieden und finden es schwierig, eine gute Wohnung zu einem fairen Preis zu finden. Das ist schon eine deutliche Ansage und zeigt, dass hier Handlungsbedarf von Seiten der Kommunen besteht. Neben bezahlbarem Wohnraum bewegen die teilnehmenden Städte vor allem die Themen Sicherheit und die Gesundheitsversorgung.

 

Eine Bürgerbefragung für 16 Städte zu koordinieren, ist sicherlich eine große Herausforderung. Wie gelingt es, die unterschiedlichen Anforderungen der Städte zu berücksichtigen und gleichzeitig eine vergleichbare Datengrundlage zu schaffen?
Klar, 16 Städte unter einen Hut zu bekommen, kann schon eine Herausforderung sein - da steckt viel Planung, Koordination und gutes Timing dahinter. Aber da die koordinierte Umfrage schon seit fast 20 Jahren im 3-Jahres-Turnus läuft, sind die Abläufe verlässlich eingespielt. Die Städte profitieren von diesen Erfahrungen und stimmen sich im Vorfeld gut zu gewissen Eckpunkten und den Fragebogeninhalten ab. Als Projektleiterin kann ich mich dann verstärkt um die Beratung und praktische Umsetzung sowie die offenen Fragen der einzelnen Städte kümmern, die natürlich trotz allem bei der Durchführung auftauchen. Außerdem müssen die individuellen Zusatzfragen mit den Städten erarbeitet und programmiert werden.
Der Fragebogen selbst ist für alle Städte gleich und damit verbindlich – abgesehen von kleinen stadtspezifischen Anpassungen. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, eigene Zusatzfragen einzubringen. Das Schöne an der Studie: Weil alle denselben Fragebogen nutzen, entstehen wirklich vergleichbare Daten. Gleichzeitig spart die gemeinsame Beauftragung Kosten und reduziert den Aufwand für jede einzelne Stadt. Und trotzdem bleibt genug Spielraum, um je nach Bedarf weitere Fragen hinzuzufügen – und das zu sehr fairen Konditionen.

 

Beate, Du hast zahlreiche sozialwissenschaftliche Studien begleitet. Wie bist Du zu diesem Schwerpunkt gekommen? Hat sich dies in Deinem Werdegang schon abgezeichnet?
Ich habe sozialwissenschaftliche Geografie studiert, mit einem Fokus auf Städtebau und Regionalplanung. Umso mehr freut es mich, dass ich diese Themen in meiner Arbeit als Marktforscherin weiterverfolgen kann.
Aber auch mein zweites Steckenpferd, die Medien- und Kommunikationsforschung, ist fester Bestandteil meiner Arbeit. Und das ist auch gut so, denn dieser Bereich interessiert mich mindestens genauso und macht meinen Job erst richtig abwechslungsreich! Übrigens: Es sind die Methodik und die zum Teil sehr hohen Fallzahlen, die die Medienforschung und die Bürgerbefragungen dann wieder ganz dicht zusammenbringen.

 

Du sprichst gerade die Methodik an: Wie werden die Daten erhoben? Hat sich da in den letzten Jahren bei den Bürgerbefragungen etwas verändert?
Tatsächlich lässt sich anhand der Koordinierten Umfrage eine wichtige Entwicklung in der Marktforschung verdeutlichen. Bis 2018 wurde die Befragung nämlich rein telefonisch als klassische Festnetzbefragung (CATI) durchgeführt. Doch da immer mehr Menschen – vor allem jüngere Zielgruppen – über das Festnetz nicht mehr gut erreichbar sind und Handynummern ja lokal nicht verortet werden können, haben wir die Methode 2021 umgestellt.
Seitdem bekommen zufällig ausgewählte Personen in den teilnehmenden Städten eine Einladung per Post, die sowohl einen Fragebogen in Papierform als auch einen Link oder QR-Code zur Online-Version enthält. Die Befragten können dann selbst entscheiden, ob sie den Fragebogen lieber auf Papier oder online ausfüllen möchten. 2024 haben übrigens 40% der Teilnehmenden den Fragebogen online ausgefüllt.

 

Die Umstellung war definitiv ein Erfolg! Die Rücklaufquote ist hoch, und wir schaffen es, die Grundgesamtheit zuverlässig abzubilden. Das zeigt deutlich, dass der Wechsel der Methode die richtige Entscheidung war.

 

Beate, vielen Dank für das interessante Gespräch. Bitte halte uns mit Updates zur Koordinierten Umfrage zur Lebensqualität in deutschen Städten auf dem Laufenden.